DreylandDichterweg

Heinz Reiff

1921–1997, Lörrach

E Fätze Tuech

Chunntsch uf d’Welt: dr erschti Schrei
blau im Gsicht un blutti Bei
gwicklet in e Fätze Tuech
iinegschribe in e Buech.
So – jetz darfsch sii!

Trummle göhn, e Hurragschrei
Glanz im Gsicht, Dreck an de Bei
vornedra: e Fätze Tuech
hintedrii: e böse Fluech
So – isch es gsi!

Un zuem End: e letschte Schrei
blau im Gsicht un ab’ni Bei
gwicklet i e Fätze Tuech
untregschuuflet, Chrüz ins Buech.
So – des wär’s gsi!

Aus: Zwischen Kernholz und Rinde, 1987      

blutti: nackte
ab’ni: abgeschlagene
untregschuuflet: in den Boden geschaufelt

Der brutale Lebenslauf eines Kriegsteilnehmers, bürokratisch seziert.

 

Heinz Reiff wurde am 16.12.1921 in Lörrach geboren und verstarb dort am 26.07.1997. Er war Kaufmann, die letzten Jahre seines Lebens selbständig. Er hat als Kind begonnen, Handorgel zu spielen, mit ersten Auftritten als 9-Jähriger. Mit 18 Jahren wurde er Soldat, mit 27 kam er aus Kriegsgefangenschaft zurück, körperlich und seelisch angeschlagen. Er widmete sich dem Malen, arbeitete künstlerisch mit Polyester und Ton und schrieb daneben immer schon und immer wieder Gedichte. 

Nach einer Magenoperation fand er einen noch intensiveren Zugang zur Literatur, die ihm zum Wesensinhalt seines Lebens wurde.

Er schrieb Gedichte und Kurzgeschichten in Alemannisch und Hochdeutsch.

Als Broschüren erschienen seine Gedichte in Hochdeutsch, dazu E weng vergäutscht,  Alemannische Gedichte, und Briefe an Mme. X, Kurzgeschichten.

1987 schließlich kam sein Buch als Anthologie bisherigen Schaffens mit Gedichten und Geschichten

Zwischen Kernholz und Rinde im Daniela-Reiff Verlag, Rümmingen, heraus, mit dem Motto: Mach d' Auge zue,/ loos in di iine,/ no hörsch,/ wie's chlopft un schafft im Holz.

Aleksejevka

Wär i im Winter verfroore, scho sellmools in Aleksejevka,
wurd i ke Mond un ke Stern, nit emool d’Sunne meh seh.
Wer i bi gsi, wär verflooge, un wo-n-i bi glege – vergesse,
Schreie un Hüüle verwaiht – niene ne Dappen im Schnee.

Nümmemeh chönnt i im Summer uf saftigi Matte mi lege.
Niemeh am Sunntig z’mittag giengt i dr Chilftbuck durab.
’s Oberot überem Elsiss – verhange vo dunklene Schatte.
Niemes, as d’Wulke vom Berg chieme zue mir a mii Grab.

Leb i ächscht, bin i scho gstorbe – tuen i emend numme träume?
Lueg, Her – ’s isch finster im Tal, läng mer dii Stegge un Stab,
’s dunkt mi, i wäri e Wulke – d’Wulke vo Aleksejevka,
chiemt obenabe vom Berg – rueihti mi uus uf miim Grab.

aus: Zwischen Kernholz und Rinde, 1987